Geschichte

"Orteshusen"
wird Odershausen
Das
Dorf Odershausen wurde erstmalig im Jahre 1309 urkundlich
erwähnt. Graf Heinrich von Waldeck gab dem Stiftsherren Ludwig von Urff
und seinem Bruder Heinrich von Urff ein
Lehen in Orteshusen. Seitdem hat sich die Schreibweise des Ortsnamens
mehrfach geändert: 1340 Odershusen, 1360 Odirshusin, später Otershusen
und Utershusen und im 16. Jahrhundert dann Odershausen. Das und noch
viele weitere interessante Informationen kann man im Ortssippenbuch
von Odershausen* ausführlich nachlesen. Dort findet man auch ein
Verzeichnis der Odershäuser Höfe, Wohnplätze und Gärten
zusammen mit einer Kopie eines zeitgenössischen Lageplans aus
dem Jahr 1753.
* Quelle:
Waldeckische Ortssippenbücher, Band 61, Herausgeber -
Waldeckischer Geschichtsverein e.V., Bad Arolsen, 1998.
Das
Dorf und seine Umgebung

Blick auf Odershausen – Hier sieht man die
Kirche noch mit ihrem ursprünglichen Kirchturm, der
sich in der Gebäudemitte befand und nicht wie heute über dem Haupteingang.
So ist über das Dorf Odershausen im
Buch
"Waldeckische Landeskunde" von Dr. Victor Schultze aus dem Jahr 1909
auf den Seiten 122-124 Folgendes zu lesen:
"Die kleine Hochebene von Braunau und
Odershausen, die sich
unmittelbar an den südlichen Hochrand der Wildunger Landschaft legt,
bilden ein gegen 3 km breites, sanft muldenförmiges Becken mit
östlicher und südöstlicher Senkung. Ein Hügelzug (Herberod und
Dickersberg) teilt das Hochland in eine nordwestliche und eine tiefer
südöstliche Hälfte; in der ersteren liegt der uns bekannte Ort
Odershausen, in der tieferen Hälfte das Kirchdorf Braunau. Die
Odershäuser Gemarkung wird von zwei Wiesentälchen durchfurcht, durch
welche die vom Auenberge abfließenden Quellbäche, der Kalte Brunnenbach
und der Dornbach, der Talenge im Dorfe Odershausen zueilen, wo sie den
bekannten Wasserfall zum tiefen Helenental von Wildungen bilden. [...]
Die von Odershausen westwärts durch Laub- und Nadelwald führende
Straße, in der Wildunger Waldung Pärrnerweg d.h. Pfarrerweg genannt,
wird wegen ihrer schönen Waldpartien von Kurfremden gern befahren.
(Hünengräber östlich vom Pärrnerwege!) An den Nordrand des Odershäuser
Hügelgeländes gliedert sich die Feldmark der Jägersburg, eine Niederung
zwischen Hirschraufe und Nickelskopf, die bis an die
Hundsdorf-Wildunger Landstraße grenzt. Dieser Bau hat für die
umliegenden Orte und für den Freund heimatlicher Geschichte ein
besonderes Interesse. Hier befand sich das 1718 von dem Fürsten Anton
Ulrich erbaute Jagdschloß Jägersburg nebst einer Fürstlichen Meierei.
In späteren Jahren überließ man es dem Verfall; 1860 wurde es auf
Abbruch verkauft und die Meierei aufgeteilt. Sie kam in den Besitz von
Landwirten aus Albertshausen, Odershausen und Hundsdorf. Heute findet
der Wanderer in den verwilderten Resten eines Obstgartens und einigen
ganz von Rasen und Erdwällen verdeckten Mauersteinen die letzten Reste
jenes Baues, doch hat sich der Name bis jetzt erhalten."
Quelle:
Waldeckische Landeskunde. Im Auftrage des Geschichtsvereins für Waldeck
und Pyrmont, herausgegeben von Dr. Victor Schultze, Professor an der
Universität Greifswald. Mengeringhausen 1909, Kommissionsverlag der
Weigelschen Hofbuchdruckerei. Seite 122-124.
Die Jägersburg
Der Fürst Friedrich Anton Ulrich von
Waldeck-Pyrmont ließ 1718 nördlich von Odershausen auf dem halben Wege
nach Hundsdorf ein kleines Jagdschloss bauen, die Jägersburg. Die
großen Wildbestände an Rot- und Schwarzwild luden zum Jagen ein und
sollten das höfische Treiben bereichern. So
errichteten Zimmerleute im fürstlichen Auftrag einen quadratischen
Hauptbau, an dessen vier Ecken je ein einstöckiger Pavillon in der
Größe einer ansehnlichen Stube angebaut war. An der Süd- und Nordseite
befanden sich Eingänge. Dort waren zwischen den Pavillons Gräben
ausgehoben, über die Zugbrücken führten.
Das Innere der Jägersburg war
bequem eingerichtet, so dass auch größere Jagdgesellschaften
untergebracht werden konnten. In der Nähe des Jagdschlosses, das von
schönen Gärten mit Obstbäumen umgeben war, befand sich ein Brunnen.
Ursprünglich gehörte zu der Jägersburg auch eine kleine Domäne mit
dazugehörenden Ländereien und eine Meierei. Die Jägersburg wurde für
den jagdfreudigen Waldecker Fürsten und seine illustren Jagdgesellschaften ein
oft besuchter Aufenthaltsort.
Fürst Friedrich Anton Ulrich von
Waldeck-Pyrmont
Nach dem Tode des jagdliebenden
Fürsten am 1. Januar 1728 wurde dieser im ehemaligen Kloster Marienthal
in der Grabkapelle St. Nikolaus in Netze beigesetzt. Bei seinen
Nachkommen jedoch ließ die Jagdleidenschaft über die Jahre hinweg mehr
und mehr nach und so geschah es, dass die Jägersburg und auch die
anderen Gebäude der
Meierei verfielen. Ab dem Jahr 1857 wurden die
verfallenen Gebäude dann auf Abbruch verkauft. Teile der Meiereigebäude
erwarb die Firma Kirchner & Menge aus Arolsen, die das
Material in ihrem in in der Nähe befindlichen Schieferbruch auf dem
Hahnberg verwenden wollte. Die Ländereien der Meierei wurden aufgeteilt
und kamen in den Besitz von Landwirten aus Albertshausen, Odershausen und
Hundsdorf.
Den Hauptanteil des eigentlichen Jagdschlosses, die noch brauchbaren Eichenbalken und das Steinmaterial, erwarb der
aus dem hannoverschen Bruchhausen stammende Wildunger Apotheker Conrad
Feldmann. Dieser war bereits ab 1846 der Eigentümer der Löwenapotheke
am Marktplatz. Die Apotheke verkaufte er jedoch 1862 weiter. Im selben
Jahr ließ Feldmann das Jagdschloss in Odershausen vollständig abtragen.
Mit dem Baumaterial wurde bereits im selben Winter in der unteren
Brunnenallee von Bad Wildungen der Bau einer Villa begonnen. Die
Bauarbeiten zogen sich dann bis ins nächste Jahr 1863 hin. Das recht schlichte, klar gegliederte Gebäude
in der Brunnenallee Nr. 7 nutzte Feldmann dann auch zur Zimmervermietung an
Kurgäste. Es lag an der Ecke der heutigen Krügerstraße/Brunnenallee.
Im Jahr 1873 verkaufte Feldmann die Villa zusammen mit dem bis zum
Abhang des Bornebachhanges hinunterreichenden Gartengrundstück an den
27jährigen Gastwirt Hermann Reinhold Zimmermann. Dieser machte aus der Villa ein Hotel, das er zusammen mit
seiner Frau Margarete Elise fortan mit viel Geschick unter dem Namen "Hotel Zimmermann" betrieb.

Hotel Zimmermann von 1873-1924
Nach verschiedenen An- und Umbauten am Hotel Zimmermann entstand im
November des Jahres 1912 im Speisesaal ein fest eingerichtetes
"Kinematographen-Theater". Am 17. November 1912 begann dort unter
dem Namen "Lichtspielhaus Central-Theater" die erste Vorstellung. So
lässt sich also ein weiter Bogen schlagen von dem Jagdschloss
Jägersburg bei Odershausen bis hin zum Central-Kino in der Brunnenallee
in Bad Wildungen. Dieser historische Zusammenhang ist nur wenigen Wildungern bekannt.
Heute findet man an der Stelle der ursprünglichen Jägerburg bei
Odershausen noch immer verwilderte
Obstbäume, verwitterte Mauerreste, ein paar Erdwälle und den Brunnen,
der bis heute die Jahrhunderte überdauert hat. Im Jahr 2006 wurde der
lauschige Platz von Odershäusern als Projekt zur Landesgartenschau
hergerichtet und ist nun als "Jägersburg" Teil des Naturerlebnispfades
Odershausen. Der Brunnen wurde neu gefasst und mit einem kleinen
Schutzdach versehen. In einer Schutzhütte sind einige Schautafeln mit
umfangreichen Informationen zu finden und Bänke laden zum Verweilen ein.

Die Jägersburg heute (22.04.2020, Fotos GRav)


Der neu gefasste Brunnen der früheren Jägersburg
Quellen:
"700 Jahre Odershausen – Geschichte und Geschichten
1309-2009",
herausgegeben vom Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft e.V. im
Jahr 2009, S. 63. Original: Abdruck in der Wildunger Zeitung vom
09.11.1935
"Schwarz-Rot-Gold", Waldeckisches Heimatbuch von Chr. Fleischhauer,
Lehrer in Bergheim, II. Teil Heimatkunde. S. 66-67, Bad Wildungen 1907.
"Waldeckische Landeskunde", im Auftrage des Geschichtsverein für
Waldeck und Pyrmont, herausgegeben von Dr. Victor Schulze, Professor an
der Universität Greifswald. S. 122-124, Kommissionsverlag der
Weigelschen Hofbuchdruckerei, Mengeringhausen 1909.
"Geschichte der Bad Wildunger Kinos", Gerhard Kessler, Begleitheft zur
Kinoausstellung im Quellenmuseum im August 2019, S. 10. Herausgeber:
Städtische Museen Bad Wildungen.
Informationstafeln an der Jägersburg
Das Leben
früher "auf dem Dorfe"
Heinrich Knüppel mit Pferdegespann und Ackerwagen vor Krafts Hof im Pärrnerweg im Jahre 1936
(Quelle: "700 Jahre Odershausen – Geschichte und Geschichten
1309-2009", herausgegeben vom Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft
e.V. im Jahr 2009, S. 195.)
Blick vom Dickersberg auf die Koppe
(Quelle: "700 Jahre
Odershausen – Geschichte und Geschichten 1309-2009", herausgegeben vom
Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft e.V. im Jahr 2009, S. 226.)
Getreideernte in Odershausen
Die Milchlieferanten der Gemeinde
Odershausen im Jahr 1946 ... und im Jahr 1999.
Die Anzahl ist von 72 auf nur 4 zurückgegangen!

Die Wildunger Straße, damals noch nicht asphaltiert, rechts das
Gasthaus "Zum Helenental"



Das Leben
heute "auf dem Dorfe"
Blickrichtung aus Nordosten auf
Odershausen in der heutigen Zeit (Pfeil: Museum)
Die Wildunger Straße (aus der rechten unteren Ecke des Bildes kommend) ist gut zu
sehen.
700-Jahrfeier von Odershausen
(24.05.2009 – Foto GRav)

Denjenigen, die noch mehr über Odershausen im Wandel der Geschichte und
über seine Bevölkerung wissen wollen, sei das Dorfbuch "700 Jahre
Odershausen – Geschichte und Geschichten" wärmstens empfohlen. Darin
wird unter anderem das dörfliche Leben im Mittelalter ausführlich
dargestellt und die Beschreibung durch Urkunden, Karten, Lagepläne
und Fotos ergänzt. Gerade das darin beschriebene Salbuch von 1753, eine
Art frühe Steuerakte, gibt Auskunft über die bestehenden
Rechtsverältnisse zwischen Landesherr und Untertanen und über die
Sozialstruktur der
Gemeinde.** Die Geschichte des "Lebendigen Museums" beginnt etwa um
diese Zeit, genauer im Jahr 1741, im Fürstentum
Waldeck. In
alten Dokumenten aus diesem Jahr wird die alte Scheune des "Meyersche
Hofes" zum ersten Mal erwähnt. Nicht sehr viel jünger ist die zweite
Scheune, "Debes Scheune" aus dem Jahr 1758, die heute ebenfalls ein
Teil des Museums ist. Die direkt nebeneinander liegenden Bauernhöfe der
Familie Meyer und der Familie Debes bilden heute das "Lebendige Museum".
** Quelle: Das
Dorfbuch von Odershausen "700 Jahre Odershausen – Geschichte und
Geschichten", herausgegeben vom Verein zu Förderung der
Dorfgemeinschaft e.V. im Jahr 2009, Seite 21ff.
